Wahrnehmendes Reiten      

         bedeutet: ich spüre dich, du spürst mich

Wahrnehmendes Reiten  bietet dem interessierten Reiter ein Konzept an, das es ihm ermöglicht, sich selbst und sein Pferd besser kennen zu lernen und damit effizienter, sensibler und mit Freude für beide zusammenzuarbeiten. Dabei verstehe ich darunter ein Zusammenspiel zwischen Reiter und Pferd, das bereits beim Betreten des Stalles beginnt.
Viele Faktoren, die die Rittigkeit eines Pferdes beeinflussen, werden nicht erst wirksam in dem Moment, wo sich der Reiter in den Sattel gleiten läßt.
Die meiste Zeit des Tages wird das Pferd nicht geritten, sondern steht oder liegt in der
Box und / oder der Koppel - auch diese Zeit und was hier passiert hat Einfluß auf die Rittigkeit, genauso wie die Art des Umgangs zwischen Pferd und Reiter / Pferdepfleger.

Ziel ist ein biomechanisch gesund gymnastiziertes, sich selbst tragendes und
ausbalanciertes Pferd, das von einem ausbalancierten Reiter mit feinen Hilfen
in mentaler Harmonie in seinem individuellen Rahmen gefördert wird.

Das Konzept des Wahrnehmenden Reitens  beinhaltet:
- Gymnastizierung des Pferdes:
um es bis ins hohe Alter gelöst und gesund reiten und arbeiten zu können und ihm dabei die Freude daran zu erhalten. 
Die Gymnastizierung erfolgt nach den den Grundsätzen der physiologischen Biomechanik
  * um sich zu lösen
  * um sich seinem Ausbildungsstand gemäß mehr oder weniger zu versammeln
  * um verschiedene Lektionen als Gymnastik zu entwickeln
    (Lektionen sollten keinen reinen Selbstzweck erfüllen, sondern dazu dienen,
     die Muskeln und Gelenke eines Pferdes zu kräftigen und im jeweiligen
     Bewegungsausmaß geschmeidig zu halten !)
Diese Übungen finden statt  an der Hand
                                       an der Longe
                                       am Langen Zügel
                                       unter dem Sattel
Den Grundsätzen der Akademischen Reitkunst entsprechend wird besonderer Wert
gelegt auf:
- Dehnungshaltung nach vorwärts-abwärts
          > Aktivierung des Nacken- und Rückenbandes
          > Lösung der Oberlinie, der Rücken- und Kruppenmuskeln
- Stellung und Biegung am losen Zügel
          > Aktivierung der Muskeln der konkaven Körperseite
          > Entspannung und Dehnung der konvexen Körperseite
- Entwicklung der Tragkraft durch Untertreten der Hinterhand
  (Schulterherein, Kruppeherein, Travers, Renvers, Pirouetten, Piaffe)
          > Kontrolle der Schubkraft
          > Entlastung der Wirbelsäule des Pferdes
- Formgebung & Haltung als Basis der Bewegung des Pferdes
          > direkte physiologische Kräftigung der Haltemuskeln durch Haltearbeit
          > optimale Einstellung der Bewegungsachsen für die gelenksschonende 
             Durchführung der Bewegungen
- Respektierung der individuellen physischen und vor allem auch psychischen 
  Fähigkeiten des Pferdes
          > Freude an der gemeinsamen Arbeit
          > kontinuierliche Verbesserung der Bemuskelung und der Geschmeidigkeit
             des Pferdes
          > Entspannung des Gemüts für optimale Konzentration

- Gymnastizierung des Reiters: 
um seine eigene Körperwahrnehmung zu schulen und ihm damit ein gezielteres und sensibleres Zusammenspiel mit dem Pferd zu ermöglichen: 
  * um sich auszubalancieren
  * um seine Mitte und seinen Sitz zu finden
  * um wahrzunehmen, wie sich das Pferde unter seinem Gesäß anfühlt,
                                 wie es sich bewegt,
                                 wie es auf die Veränderungen des Sitzes reagiert
  * um zu lernen, aus seiner Balance heraus mit kleinsten Hilfen auf das Pferd
     einzuwirken
Diese Übungen finden statt  am Boden auf der Matte
                                       auf dem Pezziball / Stuhl
                                       auf dem Pferd im Sattel

Der Prozeß des Wahrnehmenden Reitens beginnt bereits vor der Stalltüre:
* Gehen Sie eine Runde um den Stall herum, atmen Sie tief durch, um den Alltagsstreß
   oder etwaigen Ärger vor der Stalltüre los zu werden, so daß sich das Pferd auf einen
   ausgeglichenen Menschen freuen kann.
* Visualisieren Sie währenddessen, wie Sie sich die Zeit heute mit Ihrem Pferd wünschen:
   respektvoll im Umgang, harmonisch bei der gemeinsamen Arbeit, entspannt.
* Nehmen Sie wahr, wie Sie heute mit Ihrem Pferd Kontakt aufnehmen;
   nehmen Sie wahr, wie Ihr Pferd heute Kontakt mit Ihnen aufnimmt.
* Nehmen Sie wahr, wie die Box heute aussieht ("zerwühlt" oder "aufgeräumt"?)
* Wie kommt Ihr Pferd heute aus der Box: verspannt, verschlafen, widerwillig, locker? 
* Nehmen Sie beim Putzen die Körperstellen wahr, an denen das Pferd unwillig reagiert;
   prüfen Sie, ob diese Körperstellen vielleicht Ihnen selbst auch unangenehm oder
   schmerzhaft sind.
* Tasten Sie Ihr Pferd auf Verspannungen der Muskeln ab, die durch das Reiten
   besonders gefordert sind, insbesondere die Bauch-, Rücken- und Kruppenmuskeln.
               !! Ein paar Handgriffe genügen, um beurteilen zu können, 
                  ob ein Pferd seinem Vermögen gemäß geritten / longiert wird,
                  oder zu früh / zu eng in die Versammlung gebracht wird !!
   Führen Sie evtl. eine lockernde Massage durch, um diese Muskeln auf die kommende
   Arbeit vorzubreiten.
* Nehmen Sie eventuelle Abwehrreaktionen beim Satteln, Gurten und Trensen wahr
   und ernst. Bitte ziehen Sie bei wiederholten Abwehrreaktionen einen Pferde-
   Osteoapthen zu Rate.
* Bitte benutzen Sie beim Aufsitzen möglichst eine Aufsteighilfe, um den einseitigen Zug
   auf die Wirbelsäule und den Rumpf des Pferdes zu vermindern.
                                       
Ich lade Sie herzlich ein, sich auf diese spannende und lohnende Reise einzulassen,
bei der Sie viel - vielleicht auch Überraschendes - über sich selbst und ihr Pferd erfahren
und erspüren können.